Gerechtigkeit im Bildungssystem?
Ein Rückblick auf das erste SchulSachsenSofa in Großenhain
Beitrag vom von Paulina Olschewski

Schule unter Druck – Bildung im Umbruch?
Schule soll Chancen eröffnen – nicht überfordern. Doch für viele junge Menschen bedeutet Schule heute vor allem eines: Druck. Zwischen Notenzwang, Vergleichbarkeit und Leistungsanforderungen bleibt oft wenig Raum für Kreativität, Individualität – und echte Selbstwirksamkeit.
Wie kann Schule zu einem Ort werden, der stärkt statt stresst? Diese Frage stand im Zentrum des ersten SchulSachsenSofas, das am 16. Juni 2025 am Berufsschulzentrum in Großenhain stattfand – entwickelt von Schülerinnen und Schülern und getragen vom Wunsch nach Veränderung. Gäste auf dem Podium waren Conrad Clemens, Kultusminister des Freistaats Sachsen, Prof. Dr. Anke Langner, Erziehungswissenschaftlerin und Leiterin der Universitätsschule Dresden und Christian Ruffert, Schulsozialarbeiter bei der Caritas Dresden e.V. Moderiert wurde die Veranstaltung von Richard, einem Schüler des BSZ, und unserer Moderatorin Maxi Konang.
Zwischen Notendruck und Selbstwirksamkeit
Conrad Clemens betonte, dass Schule auch im föderalen System unterschiedlich funktionieren dürfe – Vielfalt könne Innovation fördern. In seinem Eingangsstatement lobte er das neue Bildungsland-2030-Konzept mit fächerverbindendem Lernen, digitalem Fortschritt und mehr Eigenverantwortung für Schulen. Zum Thema Noten zeigte er Offenheit für alternative Bewertungsformen, vor allem im Grundschulbereich – warnte aber davor, „Leistung“ generell negativ zu besetzen. Schule müsse auch auf das „richtige Leben“ vorbereiten.
Anke Langner forderte dagegen eine grundlegend andere Lernkultur: Unterricht müsse vom Kind her gedacht werden, nicht vom Stoff. Noten seien ein über 100 Jahre altes Machtinstrument, das mehr über Klassenschnitte als über individuelles Können aussage. Wahre Motivation entstehe durch Selbstwirksamkeit, positive Emotionen und sinnvolles Lernen – nicht durch Druck. Ihr Plädoyer: Schule als Raum für demokratische Erfahrung, Mitgestaltung und echtes Verstehen.
Christian Ruffert brachte die Perspektive der Schulsozialarbeit ein: Er sprach von ständiger Bewertung als „Dauerstress“, der junge Menschen in ihrer Entwicklung massiv belaste. Die große Frage sei oft: „Bin ich genug?“ – und zu selten: „Was kann ich gut?“. Schule müsse Räume öffnen, die frei von Angst, aber voller Möglichkeiten sind. Mental Health dürfe kein Randthema sein, sondern müsse zentraler Bestandteil von Schule werden.
Bildung als Gemeinschaftsaufgabe?
Auch das Publikum meldete sich mit klaren Anliegen: Warum dürfen Schüler:innen kaum mitentscheiden, obwohl sie es sind, die den Schulalltag erleben? Warum gibt es keine Schulsozialarbeit für alle Schulformen? Und warum fehlt es gerade auf dem Land an Perspektiven – für Lehrer:innen wie Schüler:innen?
Prof. Langner berichtete von der Universitätsschule Dresden, wo Schüler:innen ihren Stundenplan selbst gestalten, sich in Projekten organisieren und Prüfungen dann schreiben, wenn sie sich bereit fühlen. Erste Erfolge zeigen: Auch ohne klassischen Unterricht sind starke Leistungen möglich – wenn Vertrauen, Zeit und Beteiligung ernst genommen werden. Das erste Schul-SachsenSofa hat gezeigt:
Reformen sind nötig. Mut auch. Schule muss sich neu erfinden, wenn sie ein Ort der Gerechtigkeit und der Zukunft sein will. Nicht gegen Lehrpläne, sondern mit ihnen – nicht gegen Lehrkräfte, sondern gemeinsam mit allen Beteiligten. Vor allem aber: mit den Schüler:innen selbst. Denn sie wissen oft am besten, was fehlt.
Die ganze Diskussion kann hier nachgeschaut werden.